Elbpsitze 2009 - Berichte

Elbpsitze (Sirko)

Jetzt ist Sonntag, 21.06.2009, gestern und vorgestern war Elbspitze, Highlight einiger von uns ... Es waren einmal 7 Rennradler, die von Dresden aus Richtung Alpen aufbrachen, mit jeden Kilometer wurde es ein bisschen kälter, nach 30 Stunden rollten sie überglücklich ein auf der Edelweißspitze, bei 2°C und 15 cm Neuschnee ... Ja irgendwie ist das ein verdammt guter Witz, ich kann gerade nicht einschlafen, ist zwar Mitternacht, aber es geht einfach nicht ... bin ungefähr doppelt überreizt und muss permanent an die Elbspitze denken, jeder einzelne Moment war kostbar und köstlich, und alles war perfekt, der Beweis der Dichtheit von Erlebnissen entfällt an der Stelle, er wird offensichtlich sein.

Die Strecke

Die großen Bundesstraßen waren groß und Verkehrsreich, aber die Steigungen moderat und das Tempo hoch. Vielfalt soweit das Auge reicht, das war vorher klar, und das war auch so, Mittelgebirge, Böhmische Hopfenhügel, Brettflaches Alpenvorland und raues Klima in den Nordalpen ... es wird nicht langweilig. Mein persönlicher Favorit war Sonnenuntergang am Böhmerwald, schon von weiten drohten die hohen 1000er Gipfel, und unaufhörlich wälzte sich das Septett in Richtung Gebirge. Der frische und selbst berghoch glatte Belag an der ersten ernsthaften Bergwertungen lud zum Rasen ein, das wurde brutal ausgekostet, ja die Bewertungen brüderlich geteilt, während über uns der Himmel violett blühte und der Blick nach Pilsen ins fantastische Tschechien zurückschweifte. Auf der Südseite beobachtete man die Nacht, wie sie den großen Arber verschlang!

Auch das Alpenvorland wurde eifrig von uns verschlungen. Kurz ist die Nacht, aber lang ist der Atem, noch immer hoch das Tempo dachte ich mir immer wieder, als wir durch die Nacht rollten, und später entlang der Alz Richtung Traunstein. Einfach legendär: Die Abfahrt im Dunkeln von Rusel runter an die Donau, respektlos mit 50 LUX dank Ixon, selten so berauscht gewesen.

Über die Edelweißspitze muss man doch eigentlich kein Wort verlieren, entweder man kennt sie, oder man versteht es sowieso nicht. Insbesondere im Nebel, wenn man Kehre um Kehre vertikal nach oben fliegt, ist man längst nicht mehr unter den Irdischen, sondern irgendwo dort, wo andere mit Meditation hingelangen.

Das Wetter

... war ein schlechter Witz, die ganze Woche vorher war sinnlos, von Tag zu Tag verschlechterten sich die Prognosen, am Vortag überschlug ich so ungefähr 20 mm Niederschlag auf der ganzen Tour, genug also, um sieben oder acht Kleidersätze komplett durchzuweichen. Voller Hoffnung rechnete ich damit, dass die Hälfte von uns ja durchaus finishen könnte. Als wir starteten, war es trocken, ja es war trocken bis km 470. Wir hatten das Gefühl, permanent der Schlechtwetterfront hinterherzufahren, oft waren die Straßen nass. Erst dann, kurz vor dem Ziel, wuchs endlich die Dramatik, 5 Minuten im Dauerregen um Inzell, und alles war zu spät, als durch, der Körper fährt runter, der Kopf schaltet um auf "Durchkommen", aber irgendwie denkt man sich trotzdem die ganze Zeit: Perfekt!

Vor Zell gelang es fast, die Klamotten wieder trocken zu fahren, neue Hoffnung für die 3000er-Schweinteile - wie es der Bergfex pflegen würde zu sagen - die sich in grauen Wolken versteckten, vielleicht würde man ihnen bald sehr nahe sein. Zu Hause in Dresden konnte man sich natürlich die Webcambilder anschauen … der Schnee der dort lag ... vom feinsten. Es war einmal Juni, und man fährt hoch, ab 2000 Meter liegt Neuschnee, ab und an ein bisschen Graupel aufs Trikot, na da frag ich nur noch, ist das Genial oder nicht?

Der Teamgeist

Bis tief in den April hineine hab ich mir immer wieder vor Augen gehalten, wie sinnlos das ganze Projekt doch ist, wie schön ein grandioses Solo oder Duo wäre, und immer wieder erinnerte ich mich an Bergfex' bittere Prognose, dass es ab Pilsen die ersten Schwerverwundeten gibt, das dann die Gruppe explodiert. Der ganze Haufen war schon Monate vorher am Dampfen, der erbitterte Emailkrieg war lang und hart ... schlussendlich haben dann doch alle gewonnen. Ein kleines Erlöschen der Hoffnung noch mal bei der kurzfristigen Zusage von Enno, die alte Kampfsau, würde sie auch wirklich - gnadenlos zu sich selber - durchhalten?

Ja, alle hielten durch, nicht zuletzt wegen der sehr ausgedehnten Pausen, aber das war gut so. Jens schwächelte schon bei km 150, innerlich kriegte ich mich schon nicht mehr ein, Thomas meinte trocken: "Da muss er dann eben in Bayrisch Eisenstein ins Auto". Das war nicht der Fall, nicht Jens, Jens fing sich prächtig, niemand, niemand musste ins Auto, und niemand bremste die Gruppe aus, allein die Vernunft zügelte den Heißsporn ab und an, bis zuletzt: "Nimm ma ä bissl raus", und das war stets ein angebrachtes Wort. Die Tempoarbeit wurde brüderlich aufgeteilt unter den Starken, die vermeintlich schwächeren waren immer dabei, konnten immer einspringen, wenn sie doch gefragt waren.

Jeder hatte seine Hausaufgaben gemacht, alle hatten ordentlich trainiert, die Elbspitze unheimlich ernst genommen, niemand zeigte wirkliche Schwächen, was war da nur los? Enno, du Kampfsau, hattest nicht trainiert, und warst immer bei der Sache, normal is ni?!?

Und dann, immer Harmonie und Friede, Freude, Eierkuchen, oder wie soll man sich das bei so einer Tour vorstellen, wo jeder stundenlang ums überleben kämpft, oder was? ... Ich erinnere mich an keine sinnlose Diskussion, die Stimmung war fast immer prächtig, Jungs, was war da nur los, was waren das für geniale 30 Stunden?

Die Helfer

Natürlich war für mich die Frage immer wieder: Brauchen wir Helfer? Wenn man mal drüber nachdenkt, wenn man zu siebent fahren will, sich auf einen Termin versteift, und das Wetter sich richtig verweigert wie bei uns ... ja, dann brauch man Helfer mit einem Begleitfahrzeug. Man braucht nicht das Begleitfahrzeug, aber man braucht die Helfer, Mutti und Vati von OAlex, ja und schlussendlich für diese Zeit dann auch Mutti und Vati von uns allen, so hab ich das empfunden, und das hat mir sehr geholfen, mir nicht ständig pessimistische Gedanken machen zu müssen, es war alles abgesichert, es waren 2 halbwegs Normale unter uns, die uns mit Essen verwöhnten, Nachts Licht spendeten und uns auf der 27 die LKWs vom Leib hielten. Habt ihr schon mal abends 23 Uhr eine OpenAirSpagettiParty mitten im Bayrischen Wald gehabt ... brauch man nicht, schon klar ... aber ist das genial, oder nicht? Mir hat das alles sehr gut gefallen, werte Familie Steiner, ihr wart fantastisch!

Nicht verschweigen kann man dieser Stelle den Sven, der uns zusätzliche Ladekapazitäten für die Heimfahrt verschafft hat und sich auch noch ein bisschen da Endleiden auf der Zunge hat zergehen lassen, Vielen Dank auch dir!

Ja und dann noch eins: Der MDR hat uns natürlich verschmäht an der Frauenkirche, war einfach mal keiner da, unfeine Aktion, ist aber auch egal, denn was zählt sind die wahren Fans, die uns an der Frauenkirche verabschiedeten und den Lifeticker frisch hielten. Und nicht zu vergessen ein komisch silberner Celica mit schwarz verdreckten Nummernschild der uns komischerweise einige male überholt hat, und dann auf der Elbspitze parkte. Wir werden vom Silbernen Spion noch mit einigem schönem Bonusmaterial versorgt werden. Wer hätte das gedacht, dass wir auf der Edelweißspitze, also direkt oben, von in Skisachen verpackten Fans empfangen werden würden mit heißem Tee und Decken und warmen Unterschlupf ... das war die beste Überraschung, die ich je erlebt habe ... Vielen Dank lieber Pa und Dietmar, das war grandios!

Der Kugelblitz

Jetzt kann ich es ja ruhigen Gewissens raus lassen ... Vergangenen Oktober hat er sich vorgestellt : "Hallo nach Dresden, ich bin begeisterter Radler aus dem Erzgebirge". Bei unseren ersten Kilometer hab ich innerlich gelacht, noch mehr Kugel als Blitz, korpulent aufgepresstes Astana-Trickot und mit voller Lautstärke immer wieder irgendein übler Ohrwurm aus der Trikottasche seines Handys ... rein objektiv war das schon amüsant.

OAlex hat unglaublich hart trainiert, ich beobachtet das den ganzen Winter voller Unverständnis und Zweifel, er war immer mit unter den Topleuten im deutschlandweiten Winterpokal der Trainingsverrückten. Lange zweifelte ich daran, wie blöd konnte man eigentlich sein, sich darauf einzulassen? Bei unserem Riesengebirgsausflug dann für mich das erste Aufsehen, wahrscheinlich hatte er einen unglaublich guten Tag gehabt. In Harz dann ständig in der Führung, richtig schnell, ich hab ihn dann noch zwei Anstiege am Harznordhang abverlangt, wollte ihn leiden sehen, wollte mich bestätigen, das es falsch sei, ihn mit zur Elbspitze zu nehmen.

"Das ganze Training im Winter, das hat mich so hart gemacht, ehhh"

Ja Alex, das hat es. OAlex beendete die Elbspitze mit einer 2:05 an der Edelweißspitze nach fast 600 km, zirka 225 W im Schnitt. OAlex beteiligte sich ständig mit an Führungsarbeit, extrem engagiert. Klar fehlen da noch 20 Watt zu den diesjährigen Spitzenleistungen an der Edelweißspitze ... aber die Zeiten, in denen mehr Blitz als Kugel ist, die sind angebrochen, in 2 Jahren wird es vielleicht nur noch blitzen, ich fürchte mich jetzt schon. Alles gute für den Ironman!

Das große Ausschlachten, meine persönliche Abrechnung, die Legende von der Elbspitze 2009

Bei gutem Wetter wäre ich die ElbspitzeStrong gefahren, also mit Rossfeld und Hirchbichl, das war nicht. Wenn es mir gut gegangen wäre hätte ich mich mit Thomas bekriegt auf Biegen und Brechen. Dann kam einiges anders. Eine Woche vor der Elbspitze ein leichter Infekt; da geht total viel aerobe Kapazität flöten, das hatte ich nicht ganz wieder hinbekommen bis zum Start, der Puls in der Folge immer zu hoch, meinen Sieg hatte ich eigentlich schon halbwegs abgeschrieben. Im Verlauf der Tour wurde es aber nicht viel schlechter, also war ich ausreichend gesund, ich will mich jetzt auch nicht länger rausreden. Am Böhmerwald teilte sich die Gruppe, die Alexe und ich vornweg, bis zu ersten kleinen Abfahrt. Danach schloss Thomas auf, FAlex meinte nur noch, dass ihm das völlig klar war. 2 Minuten später, bei km 256 folgte ein Attacke, wie ich sie noch nie erlebt hatte, ich musste natürlich mit, OAlex wollte die Bergwertung (noch 11 km weit weg), das musste vereitelt werden.

Zu zweit machten wir also ernst, eine reichliche Minute hatte ich 360 Watt aufm Tacho stehen, ich war schwer beeindruckt, waren wir doch eigentlich auf einer 600er unterwegs, egal, ich hielt dann das Tempo hoch, es wurd gepflegt so zu sagen, gepflegt gehackt, großteils zwischen 290 und 310 Watt, das ist nicht wenig für uns. Nach der Abfahrt warteten wir, glotzten den Aber also an, und hatten 8 Minuten rausgefahren auf Bergfex und OAlex. FAlex fand ziemlich hohl, aber ich fand das sehr sexy, das war fast der Höhepunkt der Elbspitze.

Jener folgte dann aber mit dem Starkregen um Inzell, klitschnass, die langen Handschuh hatte ich leichtsinnigerweise wieder ins Auto gelegt, wo sie nutzlos waren. Mit meiner linken Hand konnte ich nichts mehr machen, einfach nur noch kalt, ich quälte irgendwie die Gänge rein, das war mental für mich nicht einfach. Mein Puls ging nicht mehr über 130, nichtmal an den kleineren Anstiegen, wo ich mich bei Jens und Enno aufhielt. Ein bisschen verhandeln mit Thomas war noch drin: von wegen brüderlich den Bergpreis teilen und so, aber später sagte ich nur noch, er solle sein Ding machen, ich hatte keine Chance mehr. Das tat er dann auch, er war unheimlich gut drauf und beteiligte sich an der letzten Pause nicht und war als erster oben auf der Elbspitze.

Ich kippte mir bei der Pause eine Drittel Packung Glucose hinter und machte noch ein Drittel ins Getränk und dachte mir: Möge es die Rettung bringen. Ja, die Rettung kam, aber ein bisschen zu spät, leider. OAlex knallte in den Endgegner rein, er wollte ihn vernichten, alle Level waren bis hierher durchschritten. FAlex lies zuerst reißen, dann Sebastian und ich, 280 W waren einfach zu viel, den holen wir eh wieder, das macht der nicht lange mit dachten wir uns. Wer noch zu hohlen war: Enno mit ca 15 Minuten Vorsprung, Jens war unten geblieben, die objektive Vernunft hatte ihn lahm gelegt. OAlex lies in einer ersten Flachpassage kurz locker, Bergfex und ich, das perfekte Duo, flogen vorbei, OAlex wehrte sich noch lange, bis er final im Nebel verschwand. Enno folgte, für alle folgten Qualen ... wobei: Unser Duo, es war eigentlich der beste Abschluss, den man sich vorstellen konnte. Ich führte die ganze Zeit, genoss mit Bergfex den Endkampf. Nach 600 km ist die Schwelle zwischen "Schmerzfrei" und "Geht gar nicht" auf einen Bereich von vielleicht 20 W zusammengeschmolzen, normal sind vielleicht 60 W. Man kann also sehr definiert seinen Druckpunkt finden, also den Punkt, bei dem man ordentlich Druck hat, auf dem Pedal. Mein Druckpunkt lag also gestern bei ungefähr bei 245 W, damit bin ich hochzufrieden. Das reichte für eine 1:49 an der Edelweißspitze, womit ich noch viel zufriedener war. Sebastian lies ab 2100 Meter Höhe immer mal wieder reißen, dann standen OAlex' Eltern am Rand und Sebastian holte schnell sein Kamera aus dem Auto und finishte mit 2 Minuten Rückstand, es folgten OAlex mit 16 und FAlex und Enno wohl mit 30 Minuten. Alle haben eine super Show abgezogen. Unglaublich das Bild vor mir, wie OAlex mit einem allerfeinsten Burnout sich einfach nur noch rückwärts in Dietmars Arme fallen lies, das war fantastisch anzusehen.

Und Thomas? Thomas war nicht auf der Edelweißspitze angekommen, er sei nach eigener Aussage wohl 1 Kehre vor dem Gipfel umgedreht, weil er die Edelweißspitze wohl schon zu Genüge kannte. Verabredete waren wir aber alle bei Kurt auf der Edelweißspitze. Was auch immer vorgefallen ist zwischen dem Endgegner und Thomas, wir werden das nie erfahren. Thomas war wohl 2 Minuten schneller als ich, aber er war nicht oben gewesen. Vorsorglich hab ich vor Frust trotzdem all meine Möbel zu Hause zertrümmert. Gewiss kann man sich darauf einigen, das 3 Mann den Sieg an der Edelweißspitze errungen haben, nämlich Thomas, der ja eigentlich noch nie gelogen hat und auf der gesamten Tour den stärksten Eindruck ablieferte, Bergfex, der mich in einem zerschmetternden Bergsprint niedergerungen hätte, aber leider der Kamera verfallen ist und ich, weil ich es mir so sehr gewünscht habe ;-) und ja eigentlich wirklich allererster auf der Edelweißspitze war.

Nein, die Fronten sind nicht geklärt, bei diesem Kuddelmuddel kann niemand behaupten, er wäre der Beste gewesen, und wenn ich dann noch bedenke, das Thomas Rad mehr als 2 kg leichter ist als Bergfex' und meins ... Am meisten hab ich mich aber für FAlex gefreut, noch nie ein Hochgebirge selber gesehen, geschweige denn einen harten Berg, und dann wird auf der Edelweißspitze gefinished, unter widrigsten Bedingungen, nach 600 km, Alex, du tust mit Leid.

Glücklicherweise bin ich noch normal überreizt und nicht so wie vermutlich FAlex (der an einer Überreizung größerer Mächtigkeit leiden dürfte), darum gehe ich jetzt ein bisschen schlafen und träum noch ein bisschen von der Elbspitze, aber die Träume hallten wahrscheinlich noch die ganze restliche Woche an.

Diese Tour war ein Epos, mit perfekter Dramaturgie, die Legende um den Sieg an der Edelweißspitze, alles dreht sich, so kann es weiter gehen. Vielen Dank an alle die mitgewirkt haben.

Elbpsitze (Sebastian)

Die Vorwoche:

Der letzte vergleichsweise einfache Marathon, die vom Regen gestoppte Fahrt zum Brocken, lag nun schon eine gute Woche zurück und jeder, Ausschau haltend nach möglichen Wehwechen, wartete auf den großen „Tag X“. Während mir und Thomas auf unerklärliche Weise (vielleicht war es die Krupkarunde der Vorwoche) das Knie anfing zu schmerzen, holte sich Sirko, vermutlich rein vom Anblick der für Freitag und Samstag bei wetter.com prognostizierten Regenwolken eine Erkältung. Monate lang andauernde Motivationstiefdruckgebiete wurden von ihm angekündigt, so dass wir aufgeschreckt alle mehr oder weniger pessimistisch jeden neuen Fingerzeig der Wetterfrösche im Netz registrierten. So verging die Woche im Flug und jeder war im Geiste schon auf dem von ihm am meisten gefürchteten Streckenabschnitt unterwegs, ich also bei Nacht und Dauerregen in Bayrisch Holland gen Traunstein. In mir kam die Befürchtung hoch, dass irgendjemand vom Team wetterbedingt seinen Ausstieg verkünden könnte, und somit eine einem mentalen Erdrutsch gleich kommende Kettenreaktion auslöst, die alle Gipfelträume einfach unter sich begraben würde. Schließlich erfüllte der Wetterbericht alle, zwei Wochen zuvor erörterten, Bedingungen, das Projekt auf unbestimmten Termin zu verschieben.

Aber der Wille und die Moral blieb bei allen standhaft, so dass ich mir mehr und mehr teils völlig überflüssige Gedanken über die richtige Bekleidung und Nahrungsversorgung machte. Richtige Bekleidung gibt es bei Regen sowieso keine, sondern nur warme oder kalte. Beim Essen stellt sich auch nur die Frage, auf was hat man nach 20 Stunden Radfahren noch Appetit, vertrage ich dann noch ein Bier, oder doch nur noch Knacker und Nikotin, alles sinnlose Fragen die mangels Erfahrung unbeantwortet bleiben mussten. Immerhin weiß ich schon mal, dass es mir im Gegensatz zu Sirko unmöglich ist innerhalb einer viertel Stunde 1000 kcal in Form von zuckersüßem Supermarktkuchen in den Magen zu pressen. ...“das musst du dir antrainieren“..., dafür wäre es bissel zu spät, außerdem man tut ja vieles für den Radsport, aber ...dann doch lieber nen Hungerast.

So wurde es Donnerstagabend, die Wetterprognose hatte sich immer weiter verfinstert, sie konnte über Nacht eigentlich nur noch besser werden. Überlegungen wurden angestellt erst am Nachmittag zu starten um wenigstens 200 km im trockenen fahren zu können, oder vielleicht doch lieber von vornherein längere Regenpausen einplanen, und so ging ich schlafen in der Erwartung vom Plätschern des Regens geweckt zu werden.

Tag X

So surreal wie ich mir den nicht enden werdenden Tag ausmalte, begann er gleich. Nicht vom Dauerregen wurden wir geweckt, nein von der Sonne! Hallo? Hatten wir die ganze letzte Woche nur noch in finsterster Phantasie gelebt, ich drehte mich im Bett rum und versuchte wieder einzuschlafen um auf den Regen zu warten. Doch der Kopf weigerte sich, und noch im liegen war klar, die letzten Zweifel ausgeräumt, wir würden starten und zwar sofort.

Es sollte also endlich losgehen, wird schließlich auch Zeit, immerhin muss das ganze Vorhaben endlich durchgezogen werden, damit der Kopf wieder für andere Dinge frei wird.

Am Startpunkt, der Frauenkirche zogen wir uns die extra angefertigten, sehr schön gewordenen Trikots über. Für die damit verbundene Arbeit, auch gegenüber den Skeptikern (wie mir) daran festhaltend, nochmal mein ausdrücklicher Dank! Dann ging's endlich los, die Nervosität legte sich, denn wir waren schließlich in unserem Element und rollten das Müglitztal hinauf in Richtung Edelweißspitze. Die mittlerweile vorhandenen finsteren Wolken zogen scheinbar vor uns her, vermutlich wussten sie, dass sie uns nicht mehr so ohne weiteres zur Umkehr bewegen hätten können und sparten sich ihr Wasser deshalb gleich.

So ging es recht zügig über Teplitz und Most nach Havran, wo der erste Haltepunkt sei sollte. Doch es war kein Verpflegungsauto weit und breit zu sehen. So standen wir kurz ratlos pinkelnd am Straßenrand und Alex offenbar noch bissel nervös versuchte seine Eltern etwas ungehalten ans Telefon zu bekommen. Was soll's dachte sich der Rest vermutlich, dann fahr'n wir halt erstmal weiter, schließlich müsste es letztlich auch ganz ohne Auto gehen, und irgendwo demnächst werden sie uns auf der Strecke sicher überholen. Nach 10 km gab's dann Kaffee und Kuchen, Nudelsalat, Brötchen und Tee, es weckte in mir die Assoziation einer Kaffeefahrt. Bloß der Nieselregen passte nicht so recht ins Bild.

Noch in Ruhe eene gequarzt, und schon ging es auf schön welligem Profil nach einer guten halben Stunde auf der 27 weiter. Die letzten Blicke auf den sich immer weiter entfernenden Erzgebirgskamm bescheinigten uns, dass wir uns mittlerweile außerhalb der „erweiterten Heimat“ befinden, ab jetzt wurde diese also im Geiste einfach um jeden überfahrenen Hügel und Gebirgszug erweitert.

Zur nächsten Pause, in der es wieder kurz anfing zu nieseln, war Jens auf einmal bissel angeschlagen, sollte ich etwa mit meiner von Sirko schon angesprochenen Prognose aus dem Herbst etwa doch recht haben? Jeder machte sich mehr oder weniger Gedanken darüber, ich eher weniger, denn jetzt war Pause und bei dem bisherigem Tempo (Schnitt lag dort noch bei 31) konnten wir es uns locker leisten 'nen Gang raus zu nehmen. Als dann zum Aufbruch geblasen wurde, war schon deutlich über eine Stunde rum, es wurde also Zeit, dass der Ort Pilsen endlich hinter uns liegen würde. Doch vorher ereilte Alex ein Plattfuß, ja ja die Schlauchreifen, auf glattem Asphalt einfach die Luft lassen, sowas würde einem ordentlichen Falt- oder Drahtreifen nie passieren :-), dachte ich … noch ungefähr 100km lang. Thomas, Enno und Jens fuhren schon mal weiter während Alex fluchend eine halbe Flasche Dichtmilch in den Reifen einflößte, vorerst ohne Erfolg, doch nach 10 min hielt er die zumindest von mir für völlig ausreichend erachteten 7 bar, und es ging auf mittlerweile regennasser Strasse auf die Verfolgungsfahrt. Das ständige Stop and Go im welligen Pilsen hat mich dann ernsthaft aus dem Rhythmus gebracht, den ich auch Außerorts auf dem Triathlonaufsatz liegend irgendwie nicht so bald wiederfinden sollte. Nach 40 km sahen wir die Aussreißer dann das erste mal vor uns, und das Tempo bei uns Verfolgern war weiterhin recht hoch, was mir zu schaffen machte. Als wir sie dann 10-15 km später endlich eingeholt legten wir eine kleine außerplanmäßige Rast ein in der vorsorglich schon mal die Lampen montiert wurden. Nach ner knappen halben Stunde, die Zeit, insbesondere in den Pausen, vergeht mittlerweile immer schneller, fuhren auf die lang ersehnte Abwechslung den Böhmer Wald zu. Natürlich mit dem nötigem Respekt, so dass die Situation auf einmal die war, dass Enno, Jens, Thomas und ich quasi das Gruppetto bildeten, während die beiden Alexe und Sirko vorneweg die Bergwertung unter sich ausmachen wollten. Dass das vor allem Thomas natürlich ni so ohne weiteres zulassen kann hat mich nicht im geringsten gewundert, so das wir uns vorerst noch gemeinsam vom Gruppetto verabschiedeten um die Davongefahrenen zu stellen. Dass es Thomas so ernst nahm hatte ich erst ni erwartet, aber noch bevor wir die anderen einholten musste ich ihn ziehen lassen. Vorn angekommen wurde ni lange gefackelt, sondern gleich ordentlich weiter gehackt, wobei natürlich die beiden Alex auf der Strecke blieben, wenigstens die beiden konnte ich dann noch einholen. Naja, so ist das halt beim Radfahren, sobald es länger als 3-4 km nen Berg hoch geht, muss halt gefahrn werden, egal ob man sich gerade bei km 260 befindet und noch nicht mal die Hälfte der Strecke hinter einem liegt. Mit der Gewissheit Sirko und Thomas sowieso erst in Zelezna Ruda wieder zu sehen, konnte ich es dann ja auch wieder bissel lassen und den herrlichen Sonnenuntergang genießen.

Nachdem wieder alle versammelt waren sollte es die angekündigten Spagetti geben, doch dafür musste der angesprochene 100ste km seit Plattfuß 1 passiert werden, auf dem Sirko auserkoren war, die Plattenstatistik der Faltreifenfahrer ordentlich zu versauen, nun stand es 1:1 und es wurde dunkel. Das Stück bis zum Nudeltopf zog sich immer länger und länger, dass es mir jetzt noch ein Rätsel ist. Das nächtliche Gelage mit Spagetti, Kaffee und den anderen üblichen Fressereien war herrlich. Thomas überließ mir dankenswerter weise sogar den ein oder anderen Schluck Bier, ich selbst hatte es während der andauernden geistigen Umnachtung der Vortage völlig verpennt mir vorsorglich, eben für den Fall, dass mir danach sein sollte ne Flasche einzupacken.

Mit frischen Beinen und guter Stimmung ging es nach bestimmt fast 2 Stunden weiter, über den kleinen Gegenanstieg bei Russel auf traumhafter Abfahrt hinunter in die Tiefebene und in dieser dann über die Donau zügig weiter nach Süden. Zwischenzeitlich fing es ein wenig an zu nieseln, und ich dachte schon, dass jetzt die Regenschlacht los ginge, aber stattdessen wurden kurz darauf sogar die Straßen halbwegs trocken. Um die Müdigkeit und meinen Respekt vor insbesondere diesem Streckenabschnitt zu vertreiben fuhr ich relativ viel von vorn was mir immer wieder mahnende Worte von hinten einbrachte, mal bissel weniger zu Treten, was mir aber schwer viel, da der Tacho im Dunkeln nicht zu lesen war und der Rhythmus irgendwie ganz gut passte. Irgendwann war'n die Straßen wieder nass und ich, 20km zuvor wegen angeblicher Raserei von der Führungsarbeit suspendiert, recht müde geworden. Die Pause in Eggenfelde versuchte ich und auch (O)Alex zum Schlafen zu nutzen, was mir im Gegensatz zu ihm nicht so recht gelingen wollte, so dass ich es nach 20 min aufgab, und mich mit an den Tisch setzte und es stattdessen mit Knacker, Brötchen, Kaffee und bissel Redbull versuchte. So langsam waren doch alle sichtlich gezeichnet, und ebenso die Gesprächsthemen von außerordentlichem Tiefgang geprägt. Immerhin war'n zu dem Zeitpunkt gut 400km gefahren.

Nach anderthalb Stunden sollte dann endlich weiter gehen, schließlich sind die Eggenfelder Tankstellen, besonders ohne Sonnenaufgang, nicht so das Highlight, dazu musste allerdings noch Alex geweckt werden, der unsere hoch intellektuellen geistigen Ergüsse offenbar vollständig verschlafen hatte. Als er wieder unter uns war ging es auf die nächste elende Flachetappe nach Traunstein. Da es mittlerweile tag hell geworden war hofften wir irgendwann die Alpen erspähen zu können, aber Nix war zu sehen, außer eine noch finstrere Wolkenansammlung als direkt über uns, die dort wo die Alpen sonst zu sehen wären wohl schon auf uns wartete.

Die 70km dahin waren lang, und es war interessant festzustellen, dass es nicht nur mir, sondern auch Sirko und Thomas ebenso erging, lieber vorne zu fahren, weil es einem dann besser ging. Ob das daran lag, dass man vorneweg fahrend irgendwie mehr Körperspannung aufbringt, und das einen die sich ausbreitenden Schwachstellen wie Sitzprobleme vergessen lässt oder einfach nur das monotone Leiern des Vordermannes im Blickfeld fehlt, vermutlich beides. So kamen wir nach Traunstein und erleichterten den Bäcker um etliche Scheiben Leberkäse, welcher ein vorzügliches Frühstück war. Mehrere Toilettengänge verlängerten die Pause wieder auf auf anderthalb Stunden. Mittlerweile war uns allen endgültig klar geworden wieviel Glück wir mit dem Wetter bisher hatten, schließlich hat es bis dahin kein einziges mal wirklich geregnet, aber trotzdem waren die Straßen auf mehr als der Hälfte der Strecke richtig regennass, so sehr wie bei dieser Tour haben sich die Schutzbleche selten gelohnt.

Als es gegen 9 Uhr weiterging fing der lang erwartete Regen endlich an, es kübelte wie aus Eimern oder wie auch immer, innerhalb von 5km waren wir frisch geduscht, und die Müdigkeit war vorerst weg. Über die Vorhügel rollend gabelten wir Enno und Jens, die 20min eher los fuhren und sich untergestellt hatten wieder auf und es ging auf leider extrem stark befahrener Straße endlich rein in die Alpen, entlang einer beeindruckenden Schlucht in Richtung Steinpass. Dort hatte der Regen sogar schon wieder aufgehört und je weiter wir auf die Zentralalpen zu rollten wurden sogar die Straßen zunehmend trockener. Allerdings wurde ich auch wieder etwas müde, und da ich auf den Leberkäse vertrauend Nichts in die Trikottaschen gesteckt hatte auch zunehmend leerer, womit ich aber kein Einzelfall war.

Nach der Pause, die Thomas und Jens ausließen, ging es durch Zell endlich die allerletzten Meter auf den finalen Anstieg zu. Würde man ihn wenigstens ohne irgendwo kurz vom Rad zu steigen noch bezwingen können, und gehen den anderen ähnliche Fragen durch den Kopf, schließlich geht es ja um die Platzierung auf dem Gipfel. Sirko meinte ich hätte heute gute Chancen, und da Thomas für uns zu diesem Zeitpunkt ja kein direkter Konkurrent war musste ich mich ja nur mit Sirko und (O)Alex streiten, dass (F)Alex vernünftiger weise nur auf Ankommen fahren würde war eigentlich klar, und Enno würde trotz seines Vorsprungs von der letzten Pause an vermutlich mit seiner dicken Übersetzung zu kämpfen haben. Die ersten Meter haben gleich erstmal ordentlich weh getan, vor allem weil (O)Alex sehr schnell rein fuhr und ich war heilfroh, dass ich meine „Weicheikassette“ mit dem 27er montiert hatte. So kann man auch die 13% noch halbwegs im Sitzen fahren, bloß zu dumm, das Sirko mit seiner 25er auch im sitzen fahren wollte und somit immer den einen Gang schwerer trat und entsprechend schneller vorwärts kam. Das an dieser Stelle mit Frequenz ausgleichen zu müssen, war jedes mal aufs neue Anstrengend. Aber egal, dranbleiben war die einzig zulässige Option. Alex hatte sich mit seinem Tempo, dann doch bissel verschätzt, so dass wir langsam aber sicher das 10 Meterloch wieder zu fuhren und ihn im Flachstück vor der Mautstation hinter uns ließen. Auf der Steilrampe mit der es dann weiter geht, überholten wir einen kämpfenden Enno, hoffendlich bricht seine Kurbel oder der Lenker nicht ab, es war vom feinsten (wie er mit diesem Gang dort hoch gekommen ist ist mir immer noch ein Rätsel). Gleichmäßig fuhren wir den Anstieg hoch, Sirko hatte natürlich recht, denn wenn ich nach 500hm noch an seinem Hinterrad hänge, noch dazu an der Edelweißspitze, scheint ni mehr all zu viel zu gehen :-), bei mir allerdings auch nicht. Ich war mehr damit beschäftigt, neben den genießen der Aussicht die im unterem Teil bis auf 1800m noch vorhanden war (natürlich nur nach unten), mich immer wieder um zudrehen um zu sehen ob von Alex nicht doch noch Gefahr ausgeht, oder am Ende Thomas auftaucht, denn das hätte schließlich zusätzliche Schmerzen nach sich gezogen, auf die ich natürlich absolut keine Lust mehr gehabt hätte ;-), aber zum Glück tat sich nichts dergleichen und ich konnte mich freuen bald oben zu sein und darauf konzentrieren Sirkos Hinterrad nicht wirklich auf zu geben, auch wenn ich mir wenig Hoffnung machte ihn tatsächlich mal besiegen zu können. Der Nebel wurde dichter und der Neuschnee neben der Straße höher, den kurzen Gedanken daran wie sich jetzt 30° C anfühlen würden hab ich mit grauen gleich wieder verdrängt, vermutlich würde ich auf der Stelle umkippen. Auf dem unterem Parkplatz stand auf einmal unser Begleitfahrzeug, oh Schreck, das heißt ja, dass niemand oben ist, insbesondere keine Kamera für das Gipfelfoto. Sirko war schon 30-40 m vorraus aber dass es kein Finisherfoto geben sollte kam nicht in Frage, so dass ich anhielt die Batterien in die Knipse steckte noch fix gleich das Licht ran machte und dann weiter fuhr. Da war das Hinterrad natürlich dann wirklich unerreichbar geworden, aber was soll's vermutlich hätte ich mit meiner Anschleichtaktik eh keinen Erfolg gehabt. Aus dem Nebel waren auf einmal Venga Venga-Rufe zu hören, die ich aber absolut nicht einordnen konnte, sie hätten von Sirko kommen können oder von sonst wem, was weiß ich wer sich da noch im Nebel rumdrückt. Auf dem oberen Parkplatz endlich angekommen ging es in die gepflasterten Serpentinen die natürlich, wie sollte es anders sein, steiler waren als erwartet. Aber es ging mit der Gewissheit, dass es gleich geschafft sein musste vergleichsweise leicht.

Die Überraschung auf dem Gipfel war natürlich der absolute Hammer. Mental darauf eingestellt, dass es leider wohl nur eine extrem kurze Gipfelrast werden würde, da bei dem Wetter da oben bestimmt kein Kaffee offen oder sonst auch nur ein warmer Unterschlupf zu finden sein wird, war es einfach unfassbar dort oben von den beiden Undercoverbegleitern mit Glückwünschen heißem Tee und 'ner Decke in Empfang genommen zu werden. Ich bin immer noch überrascht und gerührt von diesem Empfang. (O)Alex und später dann auch Enno und unserm zweiten Alex wird es wohl ebenso, und natürlich Sirko selbst zu aller erst, ergangen sein. So kann ich für mich zumindest behaupten, dass der Tag so wie er begann auch endete, nämlich einem Film gleich, phasenweise völlig syrreal und mit einem eben solchem Happy End.

Alles in allem war es eine sehr gelungene Tour. Dass das Rossfeld und Hirschbichel nicht gefahren wurde oder auch das Maximalziel die Tour innerhalb von 24 Stunden zu fahren nicht erreicht wurde sehe ich eher positiv, womit ich sicherlich die Meinung aller im Team vertrete, denn nur so bleibt noch Raum auf der Strecke für zukünftige Elbspitzen.

Ansonsten noch ein herzliches DANKESCHÖN zuerst an unsere engagierten Begleitköche, Licht und Klamottenspender, die sich ebenso die Nacht für uns um die Ohren geschlagen haben, sowie überhaupt das ganze Wochenende. Desweiteren natürlich auch Sven der unsere Räder wieder nach Dresden gebracht hat, und ganz besonders noch dem Vater von Sirko und seinem Arbeitkollegen (?) die uns eine Überraschung auf dem Gipfel bescherten wie wir sie sobald nicht wieder erleben werden und die nebenbei auch noch zahlreiche Bilder gemacht haben.

Ausserdem allen Teammitgliedern, insbesondere denen die sich in die Organisation reingehängt haben, also i.e.L. (O)Alex und Thomas aber natürlich auch Sirko, als verrücktem Schöpfer dieser Tour.

Elbspitze (Sirko 2)

Wer kennt das nicht: 2°C, die Straßen schwimmen vor Nässe, und die feuchten Trickots wärmen den ausgemerkelten Körper eher mäßig ... Es ist Winter. Kein Grund zur Freude für den gemeinen Rennradfahrer sollte man also meinen. An Nachmittag vor der Sommersonnenwende 2009 war auch Winter auf dem Parkplatz der Edelweißspitze und die verbliebenen 5 Elbspitzler standen ausgerechnet dort am Ziel ihrer Träume.

Das ist schließlich nicht irgendein Parkplatz, dem der Berg dort oben auf 2571 m weichen musste. Mit viel Liebe wurde der Fels dort abgetragen, das feine Pflaster sauber verlegt, nur um die Rennradler dort auf den Olymp zu führen. Zumindest hat man sich das oft so vorgestellt, als es darum ging, einen überlangen Radmarathon dieser Klasse zu planen.

Die Großglockner-Hochalpenstraße musste es sein, das war von anfang an Klar. Kein anderer Berg mit einem derartig hohen Fiets-Index liegt derart nah dran an Dresden, unserem Heimatort. Und die Entfernung ist schließlich wesentlich, wenn es um die Möglichkeit geht, diese Tour zu finishen. Fast 600 km muss man allerdings dennoch fahren. Danach könnte man aber sagen, der Glockner gehörte zu unserer erweiterten Heimat.

An jenem Nachmittag nun hatten wir den Rand der "erweiterten Heimat" erreicht, die Sichtweite ging gegen 50 Meter und der Neuschnee auf den Wiesen und Felsen war nicht wirklich am tauen. Noch heute fragen wir uns: Was war da nur los, auf den großen Straßen in Böhmen, im Bayrischen Wald und dem Alpenvorland. 20 Stunden lang waren wir von Dresden aus einem Regengebiet hintergejagt und erreichten es in Traunstein endlich. Es goss, alles schien zu spät, und es waren noch weit mehr als 100 km bis auf unseren Olymp.

Was soll man da machen? Andere Leute berichten oft von ihrer großen Chance, wenn das Schicksal es gut mit einem meint und alle Weichen stellt, um Erfolg zu haben. Mit Sicherheit war das Wetter nicht unsere große Chance. Unsere Chance bestand darin, das alles sorgfältig organisiert worden war, das wir ein Betreuer-Team hinter uns wussten und dass wir alle eingeschossen waren auf genau diesen Tag. Und dann gab es ja noch Hoffnung nicht noch ein drittes mal Pech zu haben, schließlich waren schon die internen "Qualifikationstouren" im Riesengebirge und nach Dlouhe Strane waren ins Wasser. Von der Hoffnung blieb ein niederschlagsfreier Streifen auf dem Regenradar, der sich mit etwa unserem Tempo nach Süden bewegt, der Start war besiegelt. Außerdem war vor der Frauenkirche war richtig Betrieb, man wollte uns dort empfangen und dann auf die Reise schicken.

Wir, das sind 7 Männer zwischen 19 und 33 Jahren, gut durchmischte Charaktäre mit einer Schwäche für die Langstrecke, und natürlich unser Begleitfahrzeug. Als Team stand für uns recht bald fest: Auch wenn es um Sport geht, wollte wir keinen Geschwindigkeitsrekord brechen, sondern als Team fahren und im besten Falle ankommen. Den geteiltes Leid ist halbes Leid, und geteiltes Glück ist doppeltes Glück. Das Team kann die Freude also deutlich über das Leid heben, das ist der Vorteil! Für den großen Sport auf der Langstrecke aber sind Männer wie Jure Robic zuständig.

Bis auf Enno, das altdeutsche Kampfschwein, wir wir ihn kameradschaftlich nennen, hatten alle wenigstens 7000 km gefahren in dieser Saison. Alle waren in super Verfassung: die Gruppe lief einfach gut. Bis zu den Alpen hatten wir noch einen 30er Schnitt, das hatten wir uns nicht erträumt.

Die ersten Kilometer führten uns flach im Tal hinauf Richtung Erzgebirgskamm und von dort die erste lange Abfahrt ins Böhmische Becken hinunter. Auf den Weg dorthin standen die ersten Fans am Streckenrand, Verwandte und Bekannte von uns, ein tolle Sache für Nicht-Rennfahrer.

Für die Dresdner Langstreckenfahrer endet das heimisches Revier bald hinter Most, es wird interessanter und hügeliger. Im schlimmsten Szenario sollte es ab dort die ersten Probleme geben, bevor die Truppe dann durch den Böhmerwald entgültig gesprengt worde.

Immer wieder hatte ich im Vorfeld gesagt, dass auch in den Wellen nicht mehr als 260, maximal 280 Watt gefahren würden. Wie dumm nur, das ausgerechnet an jenem Tag mein HAC zu beginn nicht funktionierte. Von hinten rief man nur einmal, dass der Polar schon wieder 340 W anzeigt. Und prombt bei km 130 ging es auch los mit den Problemen, wahrscheinlich waren wir wirklich zu schnell unterwegs. Jens bemühte sich das Tempo zu halten, bat aber um

Mäßigung, das war OK, das bremste nicht wirklich, im Gegenteil, auf lange Sicht war das sehr vernünftig.

Dann ein erster Pallten der Schlauchreifenfraktion vor Plzen, bei einsetzendem Niesel. Alles halb so schlimm, schließlich waren wir durch unser Begleitfahrzeug materialtechnisch gut abgesichert. Abgesichert aber auch vor dem vielen Verkehr, der an diesem Freitag unterwegs war.

Wir nutzten die Gelegenheit, um die Gruppe zu teilen. Die Langsammeren würden schon weiterrollen und 4 Mann nach der Reparatur dann folgen. Das ist nicht nur praktisch sondern bringt auch ein wenig Spannung in die Fahrt, eine etwas lang geratenes "Verfolgerrennen". Im Plzner Feierabendverkehr herschte Grüne Welle für die Elbspitze: Nur 2 rote Ampeln in einer Stadt dieser Größe! Während die km auf der vierspurigen E53 danach wie nichts verflogen, fragte ich mich, wie lange unsere Verfolgung noch dauern würde. Kurz vor Klatouvy war der Zusammenschluss nach über 50 km dann aber wieder vollzogen, vorn war ordentlich Druck gemacht worden.

Seit geraumer Zeit blickte man auf den Böhmerwald. Dort war der große Regen gerade durchgezogen, das sah man deutlich, jetzt stieg der Wasserdampf langsam aus den Tälern empor, alles noch weit entfernt am Horizont. Bevor es dort in den ersten ernsten Anstieg ging, montierten wir noch die Lichter.

Diese 20 flachen Kilometer von Bešiny nach Starý Brunst summieren immerhin über 650 HM und es ist immer etwas besonderes, nach 250 km einen schweren Anstieg zu fahren. Hinter den Kulissen worde der Böhmerwald als Scharfrichter gehandelt.

In Realität sah das Drama so aus: Das Team teilte sich gleich zu beginn auf in 2 Tempogruppen, hinten setzten sich unsere besten Kletterer bald ab und schloss nach vorn wieder auf. Ohne langes zögern worde dort ein kräftiger Antritt gesetzt. "Attacke" hatte man sich auf die Waden gemalt. Klar, wir sind keine Wettkampfsportler und nicht übertrieben scharf, Rennen zu fahren. Aber manchmal, wenn diese Redewendung des "gepflegt versägen" angebracht ist, dann spührt man es doch kribbeln. Offizielle Begründung der Attacke war dann auch, den Arber noch zu sehen. Und tatsächlich sahen wir ihn in der Abendglut dahinschmelzen, die Sonne hatte sich ein letztes mal gnädig gezeigt und den Himmel tiefrot gefärbt.

Nach einer Viertelstund warten war die Gruppe dann wieder zusammen. Kurze Zeit und einen Platten für die Drahtreifenfraktion später saßen wir am Rastplatz. Steiners hatten uns ein Festmahl hergerichtet, das wir gern bis Mitternacht ausdehnten. Nun war Halbzeit, und bis hierhin war alles perfekt gelaufen, und wir hatten Lust auf mehr!

Der Nacht-Turn stand nun an. Zunächst ging es Hinauf Richtung Rusel und dann eine berauschend Abfahrt zur Donau hinunter - mit 60 in die Dunkelheit! Somit waren die Mühen der Ebene eingeläutet. Sebastian, selbsternannter Bergfex, fürchtet bayerisch Holland schon ein wenig, aber seine langer Führungsteil war dermaßen zügig, dass einige in der Dunkelheit deutliche Mühen hatten. Selbst jetzt in der Nacht war der Durchschnitt hier im Flachen ziemlich genau 30 km/h."Und fahrns um Himmels willen nicht auf die B20" hatte mir ein Bauer vor Jahren mal ans Herz gelegt. Die Straße rollt einfach nur unheimlich gut, wir fanden uns schneller in Eggenfelde wieder, als uns das lieb war. Wie gut, das man manchmal auch Tips von einheimischen bekommt.

Die Pause dort versprach Spannung, denn es wurde hell und wir konnte wieder sehen, was für Wetter ist. In den letzten 2 Stunden waren die Straßen immer nässer geworden. Die Pause war erneut über eine Stunde lang, wir warteten, bis wir ohne Lichter weiter bis Traunstein fahren konnten. Grob gesagt das letzte Drittel, in dem immer mehr die Müdigkeit in die Knochen kroch. Es verging eine Ewigkeit, bis wir endlich die Alpen in Sichtweite hatten. Ja, die Sicht war sogar so schlecht, dass die Alpen gleichzeitig in Griffweite weite kamen.

Wir hatten das gar nicht so richtig realisiert, aber mit jeder Pause hatte man ein Kleidungsstück mehr angezogen. Bei 22°C waren wir in Dresden gestartet. Hier in Traunstein fing es bald an zu regnen, 10°C zu diesem Zeitpunkt noch. Das war ein Trend, das war prägend in diesen Stunden. Während sich einige von uns in Traunstein noch überlegten, wo sie am besten ihre Morgentoilette vollbringen, fuhren Jens und Enno weiter, in der Hoffnung, so Körner zu sparen. Die vergangen Kilometer waren noch immer schnell gewesen. Wer in der Führung war, musste die Zähne allerdings schon kräftig zusammenbeißen, aber die Gruppe lief noch.

Der Regen war noch nicht so stark, das meine Jacke das nicht geschafft hätte ... das passierte dann gut 10 km später in Inzell. Immerhin waren für diese Region noch kurz vor Start 14 mm Niederschlag vorhergesagt worden. Sofort war alles klitschnass, also weiterfahren, damit man nicht zu sehr auskühlt, man rechnete damit, sowieso keinen trockenen km mehr bis zum Ziel zu haben. Unsere 2-Mann-Vorhut wurde überredet, einfach weiterzufahren, sie hatten sich untergestellt.

Solange man noch gut Energie umsetzt, sind klitschnasse Sachen ja nicht so schlimm, ein bisschen Neopreneffekt kann man sich immer einreden. Nur wenn es zu lang dauert, passiert es hin und wieder, dass einem die Lichter ausgehen. Die Finger waren klamm vor Kälte, sodass ich eine ganze Hand zum Schalten benötigte. Der Puls ging nicht mehr über 130, immer wiederfand ich mich am Ende der Gruppe wieder.Ich war nicht der einzige mit Problemen, es war die Zeit des geteiltet Leids.

Wenn man einen Rhythmus gefunden hatte war man froh, aber dadurch zeriss die Gruppe immer wieder. Thomas ging es noch verhältnismäßig gut und beobachtet diese teamtechnische Anarchie mit einem weinenden Auge. Eigentlich wollte ich mir mit unseren beiden Stärksten einen bitteren Endkampf liefern. In dem Zustand war das aber unmöglich. Eine weitere Pause war unumgänglich. Thomas benötigte die nicht und fuhr durch, Jens blieb unten. Diese 300 g Glucose, die ich jetzt verwertete, brachten mich wieder zurück ins Geschehen, genauso wie die langen Handschuh, die ich mir endlich überziehen konnte. Während Enno mit Vorsprung bereits losfuhr, fragte man sich in Dresden, ob wir da wirklich hochfahren würden. Man hatte die Webcambilder der verschneiten Edelweißspitze in unser Radsportforum gestellt. Diese Frage hatte ich mir nie gestellt, der Endgegner musste besiegt werden, da war klar! Hoch kommt man auf jeden Fall immer und über das Runter macht man sich eben keine Gedanken.

Unser "Dickman", der sich durch immenses Training innerhalb von einem Jahr zum Kraftpaket gewandelt hatte, verblüffte mich enorm während der ganzen Fahrt, er gehörte zu den 4, die sich die Führungsarbeit teilten. Er ging auch gleich mit 280 W ab der Embachkapelle auf und davon. Sebastian und ich trauten unseren Augen nicht, aber 10 Minuten später flogen wir wieder an ihm vorbei. Enno kam an der Mautstation endlich wieder in Sichtweite; das altdeutsche Kampfschwein entwickelt oft in den unmöglichsten Momenten widernatürliche Kräft. Während man sich an der Spitze Freude seiner Kraft erfreute, litt unser Joungster schlimm. Oben meinte er dann, mit strahlendem Gesicht: "Das war die härteste Tour meines Lebens!"

Man kann sich das nicht vorstellen, wenn man dann noch zu zweit in perfekter Harmonie nach all diesen Kilometern sich nun auf den einsammen Straße der Hochalpenstraße hochschraubt, das war traumhaft. Trotztdem macht man sich Gedanken, "Attacke" war ein Motto, aber dazu fehlte die Kraft. Ab 2000 Meter Höhe lag nun der erste Schnee und dem leichten Niesel mischte sich ein bisschen Graupel bei. Kurz vor dem Fuschertörl stand unser Begleitfahrzeug und Sebastian hohlte seine Kamera aus dem Auto. Ich fuhr weiter.

Aus dem Nebel hörte ich noch Thomas Anfeuerungsrufe am Fuschertörl und nach 1:48:30 war der Traum vorbei, auf dem Parkplatz der Edelweißspitze. 2°C zeigte der HAC an. 2 Leute jubelten mir zu dort oben, die Fans, mein Vater und ein Freund, sie waren uns heimlich gefolgt und hatten uns immer wieder gefilmt. Und jetzt worden wir hier oben empfangen, überwältigend! Der Bergfex kam gleich nach mir, ein Viertelstunde später Alex. Völlig entkräftet lies er sich rückwärts in die Arme meines Vaters fallen, der totale Burnout. Er hatte alles gegeben! Die letzten beiden mit einem breiten Grinsen, so sehen Genießer aus. Allein Thomas war nicht da, "in der letzten Kehre umgedreht" nach eigener Aussage - auch das ist legendär. Natürlich lässt er sich damit noch heute ärgern, das Gipfelerlebnis und den Empfang verpasst zu haben.

Da standen wir also am Gipfel unserer Träume, fast 600 km in den Beinen, Kippe, Knacker und Eierlikör-Kekse im Mund. Wie oft erlebt man sowas? Wenn es nach den Elbspitzlern geht, dann ab jetzt einmal jährlich. Die Elbspitze 2010 ruft, die Gedanken kreisen schon wieder, diesmal um das Stilfser Joch. Knapp 800 Kilometer, vielleicht 10000 HM. Die Route steht noch nicht fest. Diesmal sollen 15 bis 20 weitere Starten mitkommen, das ist eine Chance!

    ... vom Elbflorenz in die Alpen - nonstop
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